Mein Kumpel Philipp beschäftigt sich schon etwas länger mit Halbautomaten und Schalldämpfern. In diesem Gastbeitrag erklärt er, warum AR-15 mit Piston bei Schalldämpfern gar nicht das Allheilmittel sind, zu dem sie manch einer erklärt:
AR mit Piston System kommen in letzter Zeit wieder vermehrt in Mode. Einer der Gründe hierfür ist wohl die gestiegene Verfügbarkeit von Schalldämpferbedürfnissen. Ich muss zugeben, es klingt nach einer guten Idee einen “schmutzigen” Schalldämpfer auf einer “sauberen” Piston-Büchse zu platzieren. Im praktischen Einsatz sieht die Sache leider anders aus…
Betrachten wir zuerst einmal die Funktionsweise des Direct Impingement (DI) System:
Nach dem Zünden der Patrone durch den Schlagbolzen treiben die aus der Pulververbrennung entstehenden Gase das Geschoss durch den Lauf. Sobald das Geschoss die Gasentnahme passiert hat, strömt ein Teil der Gase in selbige und wird über das Gasrohr zurück Richtung Verschlussträger geleitet. Hier strömt das Gas durch den “Gas-Key” in die Expansionskammer, wo es Druck auf alle Oberflächen aufbaut. Nach vorne, also in Richtung Mündung wird die Expansionskammer durch den Verschluss und die drei Gasringe begrenzt. Nach Hinten, also in Richtung Schulterstütze, wird die Expansionskammer durch den Verschlussträger selbst begrenzt. Da der Verschluss sich nicht weiter Richtung Lauf bewegen kann, sorgt der steigende Druck in der Expansionskammer dafür, dass sich der Verschlussträger nach hinten bewegt. Sobald sich der Verschlussträger so weit nach hinten bewegt hat, dass sich die seitlichen Ventilationsöffnungen des Verschlussträgers hinter den Gasringen befinden, wird die Expansionskammer damit geöffnet und das Gas kann nach außen entweichen. Durch die Trägheit des Verschlussträgers setzt dieser jedoch seine Bewegung fort, was über den “CAM-PIN“ den Verschluss zuerst dreht und damit Entriegelt, und kurz darauf ebenfalls mit nach hinten zieht. Zum Zeitpunkt der Verschlussöffnung hat das Geschoss den Lauf durch die Mündung bereits verlassen und sich der Druck im Lauf weitgehend normalisiert.
Als einer der Nachteile des DI-Systems wird oft die hohe Verschmutzung durch heiße Gase und Pulverreste genannt, welche an drei Stellen in das System eindringen können:
- Durch die Gasrückführung in die Expansionskammer.
- Durch die Gasrückführung, sobald sich der Verschlussträger soweit zurückbewegt hat, dass er die Verbindung zum Gasrohr verliert.
- Durch das Patronenlager, sobald der Verschluss den Lauf nach hinten öffnet.
Die sogenannten Piston-AR-Systeme funktionieren eigentlich sehr ähnlich. Der größte Unterschied ist der Ort der Expansionskammer, welche sich nicht im Verschlussträger, sondern direkt hinter der Gasentnahme, über dem Lauf befindet. Der Druck der hier expandierenden Gase setzt wiederrum einen Kolben in Bewegung, welcher Anstatt dem Gasrohr verbaut ist. Das hintere Ende dieses Kolbens drückt dann an der Stelle auf den Verschlussträger, an welchem sich bei DI-Systemen der “Gas-Key” befindet und setzt diesen damit in Bewegung. Dadurch fällt die Verschmutzung des Systems im Normalfall deutlich geringer aus:
- Die Expansionskammer verschmutz zwar genauso wie die Expansionskammer des DI Systems, allerdings befindet diese sich an einem Ort wo die Verschmutzung keine Störungen auslöst.
- Die Verschmutzung beim DI-System aus dem Gasrohr entfällt komplett.
- Lediglich durch das Patronenlager können weiterhin Gase und Pulverreste in das System gelangen, sobald der Verschluss den Lauf nach hinten öffnet.
Und was passiert nun, wenn wir einen Schalldämpfer an der Waffe anbringen?
Die Reduzierung der Schallemission erreicht der Schalldämpfer durch eine Erweiterung des Laufes um Expansionskammern und eine Hemmung des Gasstromes. Das hat zur Folge, dass die Zeit bis zur vollständigen Entweichung der Treibgase durch die Mündung des jetzt durch den Schalldämpfer erweiterten Laufes deutlich länger dauert – und zwar so lange, dass der Verschluss bereits geöffnet wird, bevor der Gasdruck vollständig über die Mündung abgebaut ist. Ab diesem Moment strömt das Gas und die Pulverreste, welche sich noch im Lauf und Schalldämpfer befinden jedoch nicht mehr ausschließlich über die Mündung, sondern in gleicher Weise über das Patronenlager ins System – und zwar mit so viel Druck, dass die Verschmutzung oft bis tief in das Magazin reicht.
Und das ist die Erklärung dafür, wieso ein Piston-AR-System im Schalldämpferbetrieb leider nicht sauberer arbeitet als ein DI-AR, obwohl genau das oft die Idee der Anschaffung ist.
Das war’s für diese Woche von Philipp, der aber für die nächste Woche noch ein wenig mehr Input versprochen hat. Aber ich möchte ich hier schon mal bedanken, sowohl für den Artikel als auch für den regelmäßigen privaten Austausch zu zahlreichen Themen.