Eigentlich ist alles zum Thema Mini-Rotpunkt auf Pistolenschlitten schon von Todd Green gesagt worden. Aber auf englisch. Und aus der Perspektive eines der besten Pistolenschützen, die es aktuell gibt. Mein Mehrwert: Ich bin nicht der beste Pistolenschütze der USA, nicht mal Deutschlands. Und ich schreibe Deutsch. 😉
Kurz gefasst: Ein Rotpunkt macht einen Anfänger zu einem durchschnittlichen Schützen und einen durchschnittlichen Schützen mit etwas Training zu einer echten Konkurrenz für Profis. Leider verlangsamt er Profis. Zum Glück bin ich keiner.
Wie damals noch in dem Artikel zu meinen zahlreichen Glock 19 Umbauten beschrieben: Den Umbau hat Büchsenmacher Thomas Spohr für mich durchgeführt. Der Rotpunkt ist ein Docter Sight III, weil das für Tobias Bold in Waffenkultur #16 auch schon funktioniert hat.
Haltbarkeit
Mit K.L. hab ich einen wirklich erfolgreichen Veteranen der deutschen IPSC-Szene in meinem Verein. Und der schüttelt gerne den Kopf, wenn er einen Rotpunkt auf dem Schlitten der Waffe sieht. Gabe Suarez war nämlich nicht der erste, der das versucht hat. Da waren einige andere Leute, auch im IPSC, schon vorher dran. Die haben das mit zur Anfangszeit der Aimpoints und C-Mores probiert und das war teuer und wenig erfolgreich, da sind durch die Schlittenbewegung Kontakte abgebrochen und Linsen rausgeflogen.
Suarez hatte einfach nur gutes Timing: Mittlerweile gehen Mini-Rotpunkte einfach nicht mehr kaputt. Oder zumindest so selten, das man nichts davon hört. Behalten wir ihn also für sein gutes Timing bei Rotpunkten und modernes AK-Training in Erinnerung und nicht dafür, die Waffe, die sein Shop gerade im Angebot hat, als die beste auf dem Planeten zu hypen.
Zurück zum Reddot: Mechanisch hab ich noch keinen Schaden erlebt und ich habe den Rotpunkt natürlich auch schon oft zum Durchladen gebraucht. Chemisch könnte sich noch ein Problem ergeben: Es spritzt einiges an Öl und Schmauch auf die Scheibe. Bisher hält die Beschichtung bestens, aber je nach Schmiermittel kann das vermutlich anders ausgehen.
Funktionssicherheit
Mein Rotpunkt ist so eingebaut, das ich auch noch eine normale Kimme für den Notfall habe. Das bedeutet, er sitzt recht nah am Hülsenauswurf. Hülsen sind mir noch nicht gegen den Rotpunkt und dann wieder in den Verschluss gefallen.
Von Ölspritzern hab ich schon berichtet – die Sicht wird tatsächlich schlechter, schlimmer sind aber Fusseln auf der Innenseite der Scheibe. Abrieb vom Holster passiert immer, egal ob Kydex-Abrieb oder Velourleder-Fasern. Fusseln von der Kleidung treten beim AIWB-Tragen auf, was ich allerdings Regen und Schnee an der Waffe beim OWB-Tragen vorziehe.
OWB in Regen und Schnee kommt bei mir selten vor. Abrieb vom Holster passiert eher im Training mit hohem Munitionsverbrauch und häufigem Holstern. Für den Wettkampf- oder SV-Fall ist das also imho unwichtig. Im Training hingegen darf man auch mal kurz wischen.
Vielleicht ein grundlegenderes Problem: Die Ausfräsung für den Rotpunkt hat die Drop-Safety von oben freigelegt. Das hat im Betrieb noch nicht gestört (sie hat also noch nicht eingegriffen, als sie nicht musste), mich aber dennoch beunruhigt. Ich muss gestehen, dass ich trotz einiger Experimentierfreude noch nicht geguckt hab, ob sie dann greift, wenn ich sie brauche. Ich schmeisse so ungern gespannte Waffen durch die Gegend.
Als letzter Punkt bleibt das Gewicht. Wir alles wissen: Eigentlich ist es ein Wunder, dass das Browning-Pederson-System überhaupt funktioniert. Schlittengewicht, Federstärke und Ladung und Geschossgewicht spielen alle eine Rolle. Die letzten beiden variieren regelmäßig. Jetzt noch eine gewisse Menge Material aus dem Schlitten rauszufräsen und dann eine andere Menge an Gewicht in Form des Rotpunkts einzubauen, das verschiebt natürlich den Funktionsspielraum etwas. Ein Docter III wiegt laut Hersteller allerdings nur 25gr mit einer Grundfläche von 4,6cm x 2.54cm. Als Stahl nehme ich mal 42CrMo4 mit 7,72 kg/dm3: Kurz gerechnet bedeutet das, dass pro Millimeter ausgefräster Tiefe 9g verschwinden. Bei mir dürfte das etwa ein Millimeter sein, also habe ich 16gr mehr Schwungmasse. Das riskiere ich.
Präzision
Mechanisch präziser wird eine Glock natürlich nicht. Aber mechanisch ist eine Glock eh‘ viel präziser als der Schütze das umgesetzen kann. Praktisch wird jeder, den ich kenne, damit präziser. Gabe Suarez hat immer gerne damit geworben, wie Schüsse auf 100m auf einmal eine Option werden und ich kann das nur bestätigen. Für mich selbst sind 25m je nach Tagesform schon ein Problem – am Ende des Tages und nach einem langen Training sind meine Augen so müde, dass ich echte Probleme kriege, mit Kimme und Korn im Schwarzen einer Pistolenscheibe zu bleiben. Mit dem Rotpunkt ist das egal.
Schnelligkeit
Hier ist der Knackpunkt. Ein Rotpunkt auf dem Schlitten muss klein sein. Und ein kleiner Rotpunkt ist wirklich, wirklich schwer zu finden beim ersten Schuss und wirklich, wirklich schwer im Blick zu behalten bei Folgeschüssen. Man wird unweigerlich langsamer. Auf große Entfernungen fällt das nicht auf. Auf kurze schon.
Ein Beispiel: Tom Givens, Tag 6, Casino-Drill auf 5m. 21 Schuss in 21 Sekunden mit zwei Magazinwechseln und sechs Zielwechseln sind das Ziel. Die meisten schießen es irgendwo zwischen 20 und 27 Sekunden, das ist hohes Kursniveau und ich war angemessen stolz auf meine eigenen 17,8s. Zum meinem Ärgernis hatten wir noch M.P., der glatt ohne Rotpunkt antrat. Und zwar immer nach mir. Ich grinse also zufrieden in mich rein ob meiner grandiosen Zeit. Und er legt 17,5 Sekunden hin. Na gut, gab ja noch eine Runde. Ich: 17,3 Sekunden. Klare Verbesserung, soll er sich warm anziehen, der kleine Schweizer. Und M.P. hält sich an die Regel „Tempo erhöhen, bis die Reifen abfallen“ und schießt das in… nicht 17 glatt. Nein, auch nicht 16. Und ich zähle jetzt nicht weiter runter, weil das deprimierend wird: 12 Sekunden waren es! Klar, hätte auch schief gehen können, tat es aber da nicht. Da war ich raus. So schnell kriege ich beim besten Willen den Rotpunkt nicht mehr erfasst.
Klar, es gibt Tricks. Meine Schalldämpfervisierung ist hoch genug, das ich sie auch mit Rotpunkt sehe. Ich kann das Korn als Indexpunkt benutzen, um den Punkt schneller zu finden. Aber wenn wir über solche Zeiten wie von MP vorgelegt reden, ist das wertlos. Der Fokuswechsel von Korn auf Ziel kostet Zeit. Und für diesen einen Fall Kimme und Korn zu benutzen, ist auch Quatsch, denn das Schöne am Rotpunkt ist ja, dass man die ganze Zeit mit Fokus auf dem Ziel arbeiten kann und nicht wechseln muss. Für eine Übung am Tag ist das keine Option.
Eine Alternative ist das „Caveman-EOTech“, also das Zielen nur durch den Rahmen, ohne den Punkt zu sehen. Auch das geht mit genügend Präzision für Selbstverteidigungsschießen im Nahbereich. Aber eben nicht bei den Casino-Zielen auf 5m. Und genau da ist meiner Meinung nach die Schwäche des kleinen Pistolenrotpunkts.
Training
Auf IPSC-Wettkämpfen kann man häufig das „Rotpunk-Schütteln“ sehen, wenn ein Teilnehmer die Waffe bewegt, um den Punkt zu finden. Das ist nicht einfach, wenn es schnell gehen soll. Während man bei Kimme und Korn noch „bowlen“ kann, also mit tiefer Mündung beginnt und diese dann anhebt, bis die irgendwann in der Kimme erscheint, geht das mit Rotpunkt einfach nicht.
Das muss man trainieren. Umgekehrt bedeutet das auch, dass man seine Ziehtechnik wieder mal optimiert. Das wirkt sich auch auf die normale Kurzwaffe aus.
Rotpunkt + Kimme und Korn
Beim Docter III sind die Einstellschrauben auf der Rückseite angebracht. Also da, wo die (hohe) Kimme sitzt. Mein Büchsenmacher hatte die lustige Idee, zwei Löcher in die Kimme zu bohren, damit ich mit dem Schraubenzieher an die Schrauben dran komme. Funktioniert vorne und hinten nicht. Ich baue die Kimme also aus, stelle den Rotpunkt ein, baue die Kimme wieder ein und justiere sie anhand des Rotpunktes. Das geht recht einfach.
Leute, die zuviel nachdenken, könnten auf die Idee kommen, einen anderen Haltepunkt für den Rotpunkt zu wählen. Beispielsweise die üblichen 5m für Kimme und Korn und 25m für den Rotpunkt. Mit letzterem schießt man dann weiter. Habe ich auch drüber nachgedacht. Aber, wie schon gesagt: Fokuswechsel ist doof. Wenn man für schnelles Schießen trainiert, trainiert man nur ein System. Also nicht machen.
Fazit
SMMRDS, das Slide-mounted Mini-Reddot-Sight ist eine tolle Sache. Es ist nicht frei von Nachtteilen, aber jeder sollte Erfahrungen damit sammeln. Es ist großartig nicht nur für Anfänger und Fortgeschrittene, sondern auch für die jenigen, die so lange gebraucht haben, um zum Profi aufzusteigen, das ihre Augen nicht mehr schnell genug im Fokuswechsel sind.