Ausbilder-Lektionen

Es ist immer wieder faszinierend, andere Leute im Schießen auszubilden. Ich habe Arbeitskollegen und Freunde vom THW genau so trainiert wie Militär- und Polizeiangehörige und jedes Mal, wenn ich denke, dass ich eine universelle Lösung gefunden habe, überrascht mich mal wieder was anderes.

Eine Zeit lang war ich der Meinung, dass Nachzielen (also die typische Regel „eine Schussabgabe, zwei Visierbilder“, „zehn Schussabgaben, elf Visierbilder“ usw.) ein Zaubertrick ist. Ist es auch, wenn man mit Leuten zu tun hat, die häufiger schon geschossen haben. Ich selbst leide oft auch mal unter dem Double-Alpha-Double-Alpha-Alpha-Mike-Syndrom. Und die meisten Leute, die ich kenne, haben diesen Trainingsstand auch.

Aber dann trifft man Leute, die da noch gar nicht angekommen sind und die schon große Augen machen, wenn man den Surprise Break nach Cooper erklärt („Druck auf den Abzug erhöhen und die Waffe auf das Ziel gerichtet halten. Den Schuss nicht erzwingen, nicht den Druckpunkt suchen, einfach weiter nach hinten“). Diese Technik ist wunderbar. Das gilt aber nicht nur für Anfänger, sondern auch für die immer häufiger werdenden Schützen, die nur IPSC geschossen haben und nicht über die früher übliche 25m-DSB-Disziplinen zu uns kommen. Denen fehlt manchmal auch dieses Quentchen an Technik für richtig präzise Schüsse.

Eine verwandte Beobachtung ist, dass Frauen sich sehr genau an alle Erklärungen halten und die dann auch so ausführen! Es ist jedes Mal wunderbar zu sehen, wenn die ihren allerersten Schuss dann direkt in die Mitte der Zielscheibe setzen 1.

Aber was mich dieses Mal beim Schießen mit Anfängern überrascht hat, ist, wie wichtig beim Gewehrschießen die Körperhaltung ist. Bei Frauen ist es extrem auffällig, weil Waffen doch schwer sind2. Die Technik, die wir als aggressive vorwärts gelehnte Position verkaufen, ist die Hölle, wenn man nicht die Kraft hat, die Waffe so lange zu halten, während man sich in die Position hinein fühlt. Ich denke langsam, dass der Reverse C-Clamp nah am Gehäuse da die bessere Technik ist (wie sonst von vielen als Anschlag an der Barrikade gelehrt), falls die Kraft nicht reicht.

Aber auch die kräftigen Herren machen interessante Verrenkungen. Hüfte nach vorne, Schultern nach hinten, Kopf wieder nach vorne… befremdlich und leicht schlangenartig. Ich sammele gerade mehrere Vergleiche, die klar machen, wie die Position sich anfühlen sollte: „Vor dem Boxen“ hat für mich immer geklappt, aber manch einer denkt da scheinbar eher an Mohammed Ali und sein Rope-a-dope-Gemogel als an eine echte Kampfhaltung . Es prügeln sich vermutlich zu wenige Leute. Mittlerweile spiele ich immer das Gewehr und lehne mich gegen die Schulter des Betreffenden, aber vermutlich helfen Vergleiche wie „einen schweren Einkaufswagen schieben“, um das direkt rüber zu bringen ohne eigenen körperlichen Einsatz notwendig zu machen.

Ein guter Indikator für eine schlechte Schießhaltung, auch wenn man gerade nicht drauf geachtet hat, ist übrigens die Verwirrung, wie man denn das die Hinterschaft-Oberseite auf Kopf- oder besser Wangenhöhe bekommen möge, wenn die Hinterschaftkappe außerdem in der Schulter sitzen soll: Das wird nämlich einfacher, je weiter man den Oberkörper nach vorne legt. Niemand hat einen Schaft, der im aufrechten Stand von der Schulter bis unter den Wangenknochen reicht. Eventuell ist das auch der beste Weg, das ganze zu lehren. Hmmm, hat Henning das nicht mal genau so erklärt? Verdammt, altes wird wieder neu.

Anders gesagt: Anfänger müssen meist doch mit der Schießhaltung anfangen. Fortgeschrittene überrascht man mit dem Nachzielen. Bleibt die Frage, was ist das Profi-Thema?

Aus meiner Sicht in den letzten drei Jahren immer das selbe: Grifftechnik und -kraft. Momentan bin ich sehr angetan von Jeff Gonzales Ansatz, beim Gewichtheben und Klimmzügen den Zeigefinger abzuspreizen. Klevere, minimalistische Lösung. Passt zu den Ansätzen aus dem Bouldering, die ich vorher verfolgt habe3, ist aber einfacher. Geil.

Langer Rede kurzer Sinn: Trainiert andere Leute! Allein, um Euch Eure eigenen Fehler zu verdeutlichen. Es hilft einem auch selbst, eine kurze Erklärung im Kopf zu haben für die Selbstkorrektur. Und falls Ihr noch nicht mit abgespreiztem Zeigefinger Gewichte hebt, fangt damit an!