Ein Gastbeitrag von Peter Schmidtke: Das Spyderco PITS ist ein funktionales Einhand-Taschenmesser ohne Arretierung. Trotz fehlender Klingenverriegelung ist der legal zu führende Folder dank seiner ausgeklügelten Konstruktion sicher in Handhabung und Gebrauch.
In vielen Ländern wie Deutschland und Großbritannien ist das Führen von einhändig bedienbaren Klappmessern mit feststellbarer Klinge stark reglementiert. Glücklicherweise gibt es kreative Messerdesigner wie Mike Read, die den restriktiven Waffengesetzen dieser Welt die Stirn bieten. Aufgrund der Gesetzeslage in seinem Heimatland hat sich der Brite auf Taschenmesser ohne Arretierung – sogenannte Slipjoint-Folder – spezialisiert.
Ein fehlender Feststellmechanismus schränkt gewöhnlich den „harten“ Gebrauch dieser Gattung ein, da ein unbeabsichtigtes Einklappen der Klinge ein nicht unerhebliches Verletzungsrisiko für den Nutzer darstellt. Damit wollte sich Mike Read nicht abfinden. Seine Intention war es, ein Slipjoint zu entwickeln, dass sich für robuste Schneidarbeiten eignet und dennoch ein hohes Maß an Bediensicherheit bietet. Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann Spyderco-Gründer Sal Glesser auf den einfallsreichen Messermacher aufmerksam wurde.
In Kooperation mit dem populären Klingenhersteller aus Übersee führte Read sein langes und sorgfältig geplantes Projekt „PITS“ zur Serienreife. Das Akronym steht für „Pie in the Sky“ und ist der Benutzername des Konstrukteurs in einem britischen Messerforum, in dem er mit Gleichgesinnten im fachkundigen Austausch steht.§ 42a WaffG. Klappmesser mit Einhandbedienung und arretierender Klinge waren bis vor einigen Jahren hierzulande die mit Abstand beliebteste Spezies von Gebrauchsmessern.
Aus gutem Grund: Sie sind klein und somit bequem in der Hosentasche zu führen. Insbesondere das einhändige Öffnen und Schließen ist überaus praktisch, da im Alltag nicht immer beide Hände für die Bedienung zur Verfügung stehen. Wie bekannt ist, hat der deutsche Gesetzgeber ab dem 1. April 2008 das öffentliche Führen oben genannter Messer faktisch verboten. Der Paragraf 42a des Waffengesetzes sieht zwar Ausnahmen vor, allerdings lassen die vagen Formulierungen einen großen Ermessensspielraum und bieten alles andere als Rechtssicherheit. Besonders Legalwaffenbesitzer sollten achtgeben, nicht in eine rechtliche Grauzone zu geraten.
Wer trotzdem ein einhändig bedienbares Klappmesser favorisiert, muss notgedrungen auf einen Verriegelungsmechanismus verzichten. Da das Spyderco PITS keine mechanische Arretierung besitzt und die Klinge nach Form und Schliff dem eines üblichen Gebrauchsmessers entspricht, steht es im Konsens mit dem deutschen Waffengesetz. Weil Slipjoints in weiten Teilen dieser Erde legal sind, bietet es sich ferner als adäquates „Reisemesser“ an.
Pie in the Sky. Das am Fuße der Alpen in Maniago, Italien, gefertigte PITS ist ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 7,5 cm. Eingeklappt misst es 10,8 cm, in Arbeitsposition 18,2 cm. Die breite Droppoint-Klinge aus schnitthaltigem Böhler N690Co Stahl ist 3,1 mm stark. Die Schneide ist ab Werk sehr scharf abgezogen.
Beim ersten In-die-Hand-Nehmen des robust anmutenden Messers erstaunte seine Leichtigkeit: Lediglich 95 Gramm bringt es auf die Waage. Zu verdanken ist dies dem hochwertigen Griffmaterial Titan. Das extrem leichte, aber gleichzeitig harte Metall ist außerdem mit gewichtsreduzierenden Bohrungen versehen. Sie prägen das „luftige“ Erscheinungsbild des Folders und erhöhen zusätzlich die Griffigkeit. Die zweite angenehme Überraschung stellte sich beim ersten Öffnen der Klinge ein, da dies mit einem satten „KLACK“ quittiert wurde.
Das Messer liegt gut in der Hand und vermittelt eine angenehme Haptik. Das eigentlich Sensationelle ist der außergewöhnliche Slip-Joint-Mechanismus. Die Griffplatinen sind im Rückenbereich entlang der Längsachse derart eingeschnitten, dass zwei nach unten federnde Arme gebildet werden. Die Federarme sind am Abschluss mit einem gehärteten Stahlzylinder verschraubt. Dieser Zylinder legt sich beim Ein- und Ausklappen in korrespondierende Einbuchtungen an der Klingenwurzel und hält die Klinge so mit genügend Haltekraft fest. Der Mechanismus bietet keine Arretierung, sondern lediglich eine starke Hemmung.
Wird jedoch mit dem Daumen der Messerhand zusätzlich Druck auf den Griffrücken im Bereich des Zylinders ausgeübt und so die Haltekraft verstärkt, ist ein Einklappen der Klinge kaum mehr möglich. Mit der passenden Grifftechnik erreicht das PITS selbst bei robusten Schneidarbeiten ein außergewöhnlich hohes Maß an Bediensicherheit. Sollte die Klinge dennoch versehentlich einklappen, verhindert der integrierte Handschutz wirkungsvoll den Kontakt mit der Schneide.
Die Tragevorrichtung in Form eines Drahtclips erlaubt ein bequemes, sicheres und unauffälliges Tragen in der Hosentasche oder im Hosenbund. Der „deep pocket“ Clip ist umsetzbar – somit ist das Messer für Rechts- wie Linkshänder gleichermaßen nutzbar. Die Fertigungsqualität des spielfrei und sauber gefertigten Folders lässt keine Wünsche offen. Bei Messerfreunden dürfte das Spyderco PITS nicht nur als Gebrauchs-, sondern auch als Sammlermesser Begehrlichkeiten wecken.
Preiswertes PITS? Die Krux des Folders ist sein horrender Preis. Bei 440 (!) Euro liegt die unverbindliche Preisempfehlung. Im Online-Handel sind zwar teilweise erheblich günstigere Angebote zu finden, gleichwohl muss der gewillte Käufer recht tief in die Tasche greifen. Falls das PITS aber ins Budget passt, wird der stolze Besitzer den Kauf nicht bereuen. Wer das außergewöhnliche und hochwertige Messer einmal in den Händen hatte, wird es so schnell nicht mehr hergeben wollen.
Fazit. Das Spyderco PITS vereint viele Gegensätze: Es bietet den Komfort der einhändigen Bedienung, ohne unter zweifelhafte Führverbote zu fallen. Die passende Grifftechnik vorausgesetzt, bewältigt das Klappmesser trotzt fehlender Klingenverriegelung sogar harte Schneidarbeiten mit Bravour. Es ist das praxistauglichste Einhand-Taschenmesser ohne Arretierung, das gegenwärtig zu haben ist – wenngleich auch zu einem recht stolzen Preis.