Ein Fitnessprogramm

Ich denke, ich habe eine zweistellige Menge an Fitness-Beiträgen geschrieben und nie gepostet. Irgendwie war ich nicht zufrieden: Erkläre ich den Hintergrund, die Philosophie oder nur die Übungen? Funktioniert das nur, weil ich exakt das Equipment habe oder ist das gut für jeden? Zu viele Ausreden. Wisst Ihr, was das beste Fitnessprogramm ist? Das, was man macht. Hier ist das, was ich seit 9 Monaten mache.

Hintergründe

  • Ich bin im letzten und vorletzten Jahr jeweils umgezogen und meine Langhanteln und mein Powerrack sind nicht mit umgezogen. Das ist auch die essentielle Schwäche des folgenden Programms: Man kann viel substituieren (und gleich folgen Beispiele), aber Maximalkraft geht einfach nur mit schwerem Zeug, das nach oben gehievt wird.
  • Ich werde älter und gestresster und regeneriere noch schlechter als ich das ohnehin schon tue. Eine Überlastung des zentralen Nervensystems durch zu viel Volumen kickt mich normalerweise nach zwei Monaten raus mit zwei bis drei Wochen Krankheit. Zum Glück profitiere ich auch von wenig Training. Zudem war ich nie ein Fan von Training, nachdem man kaputter ist als vorher. Mit der ursprünglichen Idee von Crossfit, ein Training zu haben für Militär, Feuerwehr und Ersthelfer, die eventuell sofort nach dem Training in den Einsatz und dann funktionieren müssen, habe ich mich immer identifiziert. Crossfit selbst macht das nicht mehr, aber hey…
  • Kraftausdauer ist soooo unterschätzt. CZ der Andere hat mich bei einem Craig-Douglas-Seminar mal so gnadenlos deklassiert, weil ich am dritten Tag einfach nach 30 Sekunden nicht mehr konnte. Seit dem: Ja zu Kraftausdauer.

Es folgt das Kraft-Programm. Das läuft täglich morgens, eventuell Samstag oder Sonntag nicht. Zeitaufwand: 15-20 Minuten. Länger, wenn Amazon Music nicht läuft und ich kein Sabaton, Gloryhammer oder Sister Sin bekomme.

Dazu ergänzend gibt es das Ausdauerprogramm, das ein oder zwei Mal die Woche abends läuft. Da rudere ich irgendwo zwischen 30 und 60 Minuten nach slow-and-steady mit einem Pulsmesser im Bereich 180-Lebensalter.

Das Kraftprogramm

Der L-Klimmzug.

  • „L“ bedeutet hier, dass die Beine im rechten Winkel gestreckt werden. Bauchmuskeln sind Haltemuskeln, dafür soll man sie trainieren. Core und so. Hilft beim Ringen.
  • Mein bevorzugter Griff ist ein enger Griff mit stark nach außen gestreckten Ellbogen. Der kommt aus dem Armdrück-Training und stärkt meiner Meinung nach die Unterarme, was ich zum Schießen wichtig finde.
  • Ich mache einen Satz. 4 Sekunden hoch, 4 halten, 4 runter, 4 halten. Reduziert die Nervensystem-Belastung bei langer Time-under-Tension. Hat mich Steve Maxwell von überzeugt.
  • Ich benutzt Intensivierungstechniken: Wenn der L-Klimmzug nicht mehr geht, folgt der normale Klimmzug, gefolgt vom eingesprungenen Negativ-Klimmzug (sprich: Hochspringen und nur noch ablassen). Einarmige Klimmzüge sind so weit in der Vergangenheit bei mir, das ich mich nicht mal mehr schäme die nicht mehr zu können^^

Der Liegestütz

  • Till Sukopp hat mich davon überzeugt, dass die Schulter-schonendste Variante die mit Ellbogen eng am Körper ist. Powerlifter-Style. Also auf den Boden mit Ellbogen im 45°-Winkel zum Körper und dann die Ellbogen an den Körper ziehen, sich „in den Boden einschrauben“. Dieses Bild hilft mir, überall Körperspannung aufzubauen. Sollte man beidhändig üben, hilft aber auch beim einarmigen Liegestütz.
  • Ich mache wieder nur einen Satz mit Intensivierungstechniken: Einarmiger Liegestütz. Wenn der nicht mehr geht: Einarmig mit Unterstützung (also ein Arm, der drückt, und einer durchgestreckt seitlich weg mit drei Fingern am Boden). Wenn der nicht mehr geht: Normal mit beiden Armen. Wenn der nicht mehr geht: Auf den Knien.

Die Kniebeuge

  • Mein größtes Problem: So eine starke Übung und keine angemessenen Gewichte in Nähe. Deswegen ersetze ich die schwere Kniebeuge durch die einbeinige Kniebeuge oder Pistol Squat. Das macht aus der Übung zwar auch eine Koordinationsübung, aber die Belastung ist nicht ohne.
  • Die einbeinige Kniebeuge kann man koordinativ einfacher machen, in den man ein paar Finger an eine Wand oder einen Türrahmen legt, um weniger zu wackeln.
  • Wieder ein Satz mit Intensivierung: Einbeinige Kniebeuge, dann Goblet Squat mit einer 32kg Kettlebell oder normale Kniebeuge mit 32kg und 24kg Kettlebells in den Händen, dann normale Körpergewichtskniebeugen mit maximaler Range of Motion. Das Volumen hier ist natürlich trotz Ein-Satz-Training viel höher als bei den Oberkörper-Übungen, aber das hat noch nie gestört: Wir sind zum Gehen und Stehen gebaut. Tom Platz hat bewiesen, dass Beine mehr Volumen vertragen.

Curl zum Über-Kopf-Drücken

  • Ich bin ein Anhänger davon, mindestens in zwei Richtungen zu ziehen und zu drücken. Deswegen gibt es neben dem Liegestütz hier noch eine kombinierte Zug- und Druckbewegung
  • Die Zug-Bewegung ist bei mir ein Curl. Das ist untypisch, meist ist die Übung ein Clean&Jerk. Aber zum einen passen die Gewichte für Zug- und Druck so besser zusammen, zum anderen kann man die Übung so langsam ausführen. Und außerdem musste ich irgendwann, etwa bei Umzugshilfeleistung #10, einsehen, dass der Curl eine natürliche Bewegung ist, die es sich zu trainieren lohnt.
  • Die Druckbewegung ist ein normales Über-Kopf-Drücken.
  • Geübt wird das mit einer Kettlebell oder eine Dumbbell mit dickem Griff – die Kettlebell, weil der Curl damit keinen toten Punkt irgendwo in der Bewegung hat, die Dumbbell, weil dicke Griffe toll sind für Handkraft und damit für’s Schießen.
  • Wieder ein Satz mit Intensivierung: Langsam Curlen und Drücken, Arm wechseln, langsam Curlen und Drücken, Arm wechseln, mit Schwung curlen und drücken, Arm wechseln, schnell curlen und drücken; dann entweder links/rechts pro Wiederholung wechseln oder Snatchen.

Swing

  • Irgendwie fehlt in dem Programm noch ein „Hinge-Movement“. Normalerweise ist das das Kreuzheben. Was wieder dicke Gewichte bedingt. Zwar könnte man das ähnlich wie die einbeinige Kniebeuge versuchen, hat mich aber nie überzeugt. Der Good Morning ist ähnlich doof umzusetzen.
  • Außerdem mag ich doch etwas Volumen. Da sind die Russen dran schuld mit ihren Forschungen zu Nährstoffversorgung und die Japaner (will sagen: Izumi Tabata) mit denen zum Sauerstoffmaximum.
  • Also: Kettlebell-Swings. Ein Satz all out. 30sek Pause. Ein weiterer Satz.
  • Eventuell streiche ich das, wenn ich am Tag vorher gerudert bin.

Inspirationen

  • Dass das Ein-Satz-Prinzip funktioniert, haben Typen wie Mike Menzer und Casey Viator unter Anleitung von Arthur Jones gezeigt, und Ellington Darden hat es gut dokumentiert in „The New High Intensity Training“.
  • Arnold Schwarzenegger hat Intensivierungstechniken zwar Schummeln genannt, aber sie trotzdem empfohlen.
  • Steve Maxwell hat mehr Kluges zum gesunden Trainieren und hohem Alter gesagt als jeder andere. „Dear Over 45 Trainee“ ist ein guter Einstieg.
  • Mark Rippetoe hat mich vor Ewigkeiten von Full-Body-Training statt Splits überzeugt, auch wenn ich sein Buch „Starting strength“ nie gelesen habe.
  • Dan John hat mir durch seine Artikel mehr sinnvolle Tipps gegeben als jeder andere und gezeigt, dass gesunder Menschenverstand nicht so alltäglich ist. „Das Training, was Du machst, ist besser als das, was Du nur planst“ ist, paraphrasiert, die Motivation für diesen Artikel. Seine 40-day strength cure in der Urform (2×5 Push, 2×5 Pull, 2×5 Hinge/Squat, 1×20 Core, Volume) ist ganz oft mein Template für Programme.
  • Dr. Till Sukopp hat mir die schulterfreundlichste Liegestütz-Technik und die Mobilitsationsübungen gezeigt, die ich auch nach 10 Jahren noch nutze.
  • Mein ehemaliger Trainingspartner und ewige Inspiration Thorben, der sich passend zum 40ten Geburtstag endlich dazu durchgerungen hat, sich braun lackieren zu lassen, einen Posing Slip anzuziehen und die „most muscular“-Pose nicht mehr nur als Parodie einzunehmen. Und den 8ten Platz bei Mr. Universe eingesackt hat.