Je mehr ich auf dem Sofa versacke, desto mehr bin ich interessiert, wenigstens ein minimales, effizientes Trainingsprogramm auf die Beine zu stellen. Dazu muss ich allerdings zu erst die zu trainierenden Fertigkeiten isolieren.
Der schnelle Schuss aus einer Bereitschaftsposition
Wie Tom Givens so wunderbar motiviert: „Du hast Zeit bis zum Ende Deines Lebens, den ersten Treffer zu landen“. Der erste Schuss ist der wichtigste, den man machen kann. Und Himmel, was kann man da alles verbocken:
- Man kann die Waffe schlecht greifen und, um Zeit zu sparen, mit dem schlechten Waffengriff weiter machen und den Rest des Ablaufs verbocken.
- Man kann den Leerlauf aus dem Abzug so früh rausnehmen, dass der Schuss zu früh bricht.
- Man kann sich eine angemessen langsamen erste Schussabgabe erarbeiten und dann das gleiche Schneckentempo auf den ganzen Ziehvorgang anwenden.
- Man kann so festgefahren sein, dass man auch wenn das Ziel viel größer ist als der gesamte Schlitten der Waffe, man trotzdem erst das Korn richtig in der Kimme positionieren muss, bevor man abdrückt.
Sei es, wie es ist, diese Fertigkeit ist wichtig. Egal ob mit der Langwaffe oder der Kurzwaffe, egal ob Patrol-, High- oder Low-Ready, aus einer Trageposition; egal ob offenes Holster oder AIWB, verdeckt oder nicht, und egal ob nach einer Transition oder einem Positionswechsel: Der erste Schuss ist der wichtigste. Wer den nicht anbringen kann, kann sich den Rest sparen.
Wenn ich eine Basisübung definieren müsste, dann wäre es für die Pistole das Ziehen aus dem verdeckten Holster, denn Pistolen sind nun mal Selbstverteidigungswerkzeuge, keine Angriffswaffen. Für das Gewehr wäre es der schnelle Schuss aus Patrol-Ready. Denn so trägt man die Waffe nun mal den Großteil der Zeit. Bewertet auf Zeit mit einer nicht weiter unterteilten Trefferzone – wir wollen niemanden zu unnötig genauem Schießen verleiten, wichtig ist allein angemessen genaues Schießen.
Der nicht verrissene Folgeschuss
Die zweite Fertigkeit ist schon etwas wackeliger: Für manchen ist es ein riesiges Problem, fünf oder sechs Schuss wie beim Bill-Drill in ein kleines Ziel zu hämmern. Das ist eine reine Kraft-Sache. Ihr kennt meinen Spruch dazu bestimmt: Wer eine Glock so greifen kann, dass das Magazin auch bei betätigtem Magazinauswurf in der Waffe bleibt, der hat den richtigen Waffengriff.
Mein Problem ist eher der mentale Teil: Nachzielen ist wirklich schwer, wenn man unter Stress ist. Deswegen schießen auch die guten IPSC-Schützen schon mal ein Double-Alpha, Double-Alpha, Alpha-Delta: Weil da drei Scheiben nebeneinander standen und die schon beim letzten Schuss im Kopf beim Weiterlaufen waren.
Die Fähigkeit ist trotzdem eine einzige, finde ich: Einen oder mehrere Folgeschüsse schnell abgeben zu können ohne dabei mehr zu streuen als dem Ziel angemessen wäre.
Wenn ich eine Übung dafür gestalten müsste, dann wären das drei Schuss auf ein Ziel, fünf auf ein weiteres und dann zwei weitere auf das erste. Das fordert nämlich sowohl die Griffkraft beim eingebauten Bill-Drill wie auch die Konzentration bei den Zielwechseln. Bewertet würde das natürlich auf Zeit, aber ganz klar mit „Heroes and Zeroes“: Ein Fehler und die ganze Runde zählt nicht.
Der präzise Schuss
Die letzte Fähigkeit ist eine wild verteilte: Die meisten Schützen der alten Schule beherrschen die perfekt, einfach weil der DSB jahrzehntelang nix anderes angeboten hat. Die jüngeren, die direkt mit IPSC angefangen haben, sind dagegen oft extrem überfordert, auch nur den Spiegel der DSB-Scheibe auf 25m zuverlässig zu treffen.
Ich selbst merke, dass ich nach einem langen Tag mit schnellem Schießen wirklich oft scheitere, wenn es auf Präzision ankommt. Erst, wenn ich mir selbst die Übung Schritt für Schritt durchspreche, klappt das. Interessant ist diese Fertigkeit meiner Meinung nach, weil es eine rein technisch-mentale ist: Wer weiß, was er tun muss und sich darauf konzentrieren kann, schafft das. Die anderen beiden Fähigkeiten erfordern Geschwindigkeit und Kraft, diese hier überhaupt nicht. Sie leidet eher darunter, wenn man beides übermäßig anwendet.
Wenn ich eine Übung dafür gestalten würde, wäre mein größtes Problem, dass man Präzision am besten auf große Entfernungen übt. Man kann zwar das Ziel verkleinern und dann auch die Entfernung – aber der Offset von der Visierung zum Lauf bleibt und spielt dann, Strahlensatz mal anders herum, auf kurze Distanzen eine viel größere Rolle. So sehr ich die Appleseed-Leute mag mit ihren klein-skalierten Rotröcken als Gegnern, das funktioniert so nicht gut, ohne vorher den Offset festzulegen. Meine Übung wäre daher: Suche einen Haltepunkt. Schieße ein bis drei Schuss auf den Haltepunkt. Du musst den Haltepunkt nicht treffen, sondern eine möglichst kleine Gruppe schießen. Den Präzision bedeutet Wiederholgenauigkeit, mehr nicht.
Das wären die drei Basis-Fertigkeiten und wie ich sie trainieren würde. Mein Traum wäre jetzt, ein paar Beispielwerte zu sammeln, was so geht und diese Werte dann als Basis für eine Schützenbewertung zu nutzen. Ich finde nämlich, es gibt keine gute, einfache und universelle Bewertung.